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Aminata Touré: „Natürlich werden einem Steine in den Weg gelegt!“

Aktualisiert: 16. Apr. 2023

Aminata Touré sitzt für die Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein. Die 26-Jährige hat Politikwissenschaft und Französische Philologie in Kiel und Madrid studiert und hat bei einer Bundestagsabgeordneten in Berlin gearbeitet.


Im SWANS-Interview erzählt sie, wie ihre Kindheitserfahrungen ihren Werdegang geprägt haben, wie sie sich als Kind selbst Vorbilder suchen musste und wie berufstätige Frauen wie sie schon heute Vorbilder für die nächste Generation sind. Das Interview führte Maycaa Hannon.

Aminate Touré
Aminate Touré

SWANS: Aminata Touré, wie würden Sie Ihren Lebensweg beschreiben?

Touré: Vor mehr als 25 Jahren floh meine Familie nach dem Putsch in Mali nach Deutschland, wo ich 1992 in Neumünster auf die Welt kam. Wir hatten ganz lange keinen sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland und haben dadurch während meiner Kindheit in verschiedenen Asylbewerberheimen gewohnt.


Seit Juni 2017 bin ich Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtages und setze mich verstärkt ein für Themen wie Flucht und Migration, Frauen, Kinder- und Jugendpolitik und Verbraucher*innenschutz. Mir ist aufgefallen, dass ich viele der Probleme und Themen von Geflüchteten und Neuankömmlingen in Deutschland aus meiner eigenen Kindheit kenne. So hab ich gemerkt, dass ich einen bestimmten Anschluss habe und mich für diese Leute einsetzen möchte.


Nachdem ich mir mehrere Parteien angeschaut habe, habe ich mich dafür entschieden, bei den Grünen mitzumachen. Also habe ich mich dort engagiert und neben meiner Bachelorarbeit im deutschen Bundestag als wissenschaftliche Mitarbeiterin für eine Abgeordnete gearbeitet. Dort konnte ich den Politikbetrieb von ganz Nahem mitverfolgen, so dass ich dadurch die Gewissheit hatte, dass ich selber aktiv in der Politik mitarbeiten will. Im Anschluss habe ich dann für den Landtag kandidiert.


SWANS: Wenn Sie Ihre Einstiegsphase nochmal reflektieren, wer hat Sie damals unterschätzt, wer besonders an Sie geglaubt?


Touré: Ich hatte beides! Ich glaube auch, dass das viele Frauen gemeinsam haben. Die Community rund um Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, als auch Women of Color sind besonders stark betroffen. Man wird in der Regel häufig unterschätzt, aber mich hat das nicht abgehalten - da muss ich meine Mutter an dieser Stelle besonders hervorheben. Denn sie hat sowohl mich, als auch meine Schwestern mit dem Glauben erzogen: Es gibt nichts, was wir nicht können.


Aber es war uns auch klar, dass wir uns manchmal doppelt so sehr anstrengen müssen, um etwas zu erreichen - und das, obwohl wir schon sehr qualifiziert sind und genauso hart gearbeitet haben wie andere. Ich habe die Worte meiner Mutter sehr verinnerlicht und versuche, mich da immer daran zu erinnern. Dadurch habe ich nicht das Gefühl, dass es Sachen gibt, die ich nicht machen kann oder darf. Natürlich werden einem Steine in den Weg gelegt, aber umso mehr zählt dann die Einstellung und der Wille und Unterstützungsstrukturen.

SWANS: Welche Tipps können Sie Frauen mit Zuwanderungsgeschichte zum Thema Berufseinstieg geben ?


Touré: Was helfen kann, ist einen Raum zu haben, in dem man sich austauschen kann. Viele der Situationen, in denen wir uns immer wieder aufs Neue befinden, passieren nicht nur uns. Natürlich sollte man sich selbst und seine Situation analysieren und schauen, wie man sich weiter entwickeln kann.


Aber viele der Themen, die uns Frauen, gerade mit Zuwanderungsgeschichte, betreffen, sind keine Einzelfälle. Es kann also sehr hilfreich sein, diese Situationen zu teilen und zu erkennen, dass es sich manchmal auch um Strukturen handelt, die gegen einen arbeiten. Es hilft, sich da gegenseitig zu empowern und zu unterstützen - besonders, wenn man eine Person findet, die das nachvollziehen kann oder auch erlebt hat.


Es ist wichtig, sich auf die Hindernisse einzustellen, aber umso wichtiger ist, dass man sich im Klaren ist, was man weiß und was man kann. Unabhängig von den Hindernissen sollte man dann genau dafür kämpfen. Ich unterstreiche gerne, dass es auch anstrengend sein wird, aber es lohnt sich dafür fast immer.


Gerade Frauen in der zweiten Generation sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie automatisch Vorbilder sein werden für kleine Mädchen mit Zuwanderungsgeschichte. Viele Hindernisse können wir ihnen aus dem Weg räumen, so dass sie hoffentlich nicht dieselben Probleme haben werden. Aber es muss uns auch klar sein, dass diese kleinen Mädchen sehr genau und bewusst zu unseren Entscheidungen und Erlebnissen hochschauen.

Das hat mir sehr gefehlt in Deutschland, als ich noch klein war. Ich habe mich sehr nach einer Vorbildfunktion im öffentlichen Raum gesehnt. Die Inspiration habe ich mir dann manchmal aus dem Ausland geholt, in dem ich mir zum Beispiel Schwarze Frauen aus den USA zum Vorbild genommen habe.


SWANS: Wie stehen Sie zur Frauenquoten-Diskussion in Deutschland?


Touré: Ich habe mich für eine Partei entschieden, in der wir uns sehr streng an die Quote halten. Es gibt laute Stimmen in der Politik, die immer wieder behaupten, dass wir gar keine Quote brauchen, dass es ein natürlicher Prozess bleiben sollte. Ich persönlich glaube nicht daran, dass alt eingewachsene Strukturen von alleine aufbrechen.


Es ist nicht so, wie es gerne dargestellt wird, dass Frauen nicht kandidieren wollen. Ihnen werden in männerdominierten Bereichen einfach nicht dieselben Chancen angeboten wie den Männern. Dazu müssen sie gewillt sein, in diesem Umfeld an Konkurrenzkämpfen teilzunehmen. Deswegen müssen die vorhandenen Strukturen erkannt und durchbrochen werden. Ich glaube nicht daran, dass die Freiwilligkeit, auf die sich diese lauten Stimmen berufen, diese Strukturen so effektiv aufbricht.


Für uns bei den Grünen haben wir den Anspruch, ein Parlament zu haben, was auch die Bevölkerung in all ihren Gruppierungen abbildet. Meiner Meinung nach fehlen nicht nur Frauen mit Zuwanderungsgeschichte, es fehlt auch die adäquate Repräsentanz für Menschen mit Behinderung oder die unterschiedlichen Bildungsstufen der Gesellschaft, junge Menschen und viele weitere Gruppen. Man muss sich fragen: Wer ändert die Regeln der Gesellschaft? Diese Entscheidungen finden in Parlamenten statt, deshalb müssen dort mehr Frauen vertreten sein.


Für Themen wie die Frauenquote muss man kämpfen, denn es hat sich jahrelang nichts getan und es ist nicht davon auszugehen, dass es sich von alleine ändern wird. Das beste Beispiel ist dabei das Frauenwahlrecht: Es wurde erst eingeführt, nachdem sich viele dafür eingesetzt und demonstriert hatten. Heute feiern wir 100 Jahre Frauenwahlrecht, da ist es inzwischen auch undenkbar, dass es überhaupt notwendig war, sich dafür einzusetzen. Damals kam aber niemand auf den Gedanken, es sei ein natürlicher Prozess, der sich von alleine einstellen wird. Dafür mussten Frauenrechtlerinnen jahrelang gezielt kämpfen.


SWANS: Haben Sie auch Rassismus-Erfahrungen gemacht?


Touré: Ja, absolut. Das ist weiterhin ein Bereich, der im öffentlichen so wie im privaten Leben stattfindet. Rassismus passiert noch viel zu häufig und das heißt, dass wir uns erst recht damit auseinandersetzen müssen. Mir begegnet Rassismus überall. Im alltäglichen Leben oder wenn ich den Fernseher anmache. Das zeigt, dass es weiterhin ein sehr aktives Thema in der Gesellschaft ist, mit dem wir uns auseinander setzen müssen und deshalb freue ich mich, dass wir in Schleswig-Holstein einen Aktionsplan gegen Rassismus auf den Weg bringen werden!


SWANS: Danke für das Gespräch!


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