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Florence Brokowski-Shekete: „Ich liebe es unterschätzt zu werden und die Menschen Lügen zu strafen.”

Aktualisiert: 3. Sept. 2023




Florence ist Schulamtsdirektorin, Mitglied des Hochschulrates der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, Fachbereichsleitung Sekundarstufe I am Staatlichen Schulamt Mannheim und Mitglied des Expertengremiums des Deutschen Knigge Rat. Als Gründerin der Agentur FBS intercultural communication ist die Podcasterin und zweifache SPIEGEL-Bestsellerautorin zudem seit über 20 Jahren als freie Beraterin und Coach tätig in den Bereichen Kommunikation, Führungskräfteentwicklung und kultureller Sensibilisierung. Das Gespräch führte Martha Dudzinski.

SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?”


Florence: „Mit knapp zwei Jahren kam ich zu meiner deutschen Pflegemama. Ab dem Moment habe ich meine Kindheit als behütet und idyllisch in Erinnerung. Durch den Einfluss meiner leiblichen Eltern gab es jedoch immer einen Störfaktor, der wie ein drohendes Damoklesschwert über uns schwebte. Mit knapp neun Jahren gingen meine Eltern in ihre nigerianische Heimat zurück und nahmen mich mit. Ab dem Moment war meine Kindheit sehr betrübt.”


SWANS: „Wie verlief dein beruflicher Werdegang?”


Florence: „Mein eigentlicher Berufswunsch war Flugbegleiterin. Da meine Bleibeberechtigung in Deutschland jedoch von einem Abitur und einem Beruf abhing, bei dem ich keiner deutschen Person, so hieß es behördlich, einen Arbeitsplatz wegnehmen durfte, konnte ich meinen Traum nicht erfüllen. Da ich kirchlich aufgewachsen bin, beschloss ich, Religionspädagogik zu studieren.

Durch ein Praktikum in einem Jugendzentrum, das ich nach dem Abitur absolvierte und für das Studium benötigte, lernte ich viele Hauptschüler:innen kennen, die sehr über die Schule klagten. In dem Moment beschloss ich, dass auch Hauptschüler:innen ein Recht auf motivierte Lehrkräfte hätten. So begann ich ein Studium für Grund- und Hauptschullehramt, mit Schwerpunkt Hauptschule. Nach dem Studium absolvierte ich mein Referendariat und arbeitete zwei Jahre an einer Grundschule. Damals war die Arbeitslosigkeit unter Lehrkräften groß. Nach zwei Jahren endete mein befristeter Vertrag.

Ich machte aus der Not eine Tugend. Da ich es schon immer liebte, mit Sprache umzugehen, machte ich mich selbständig und arbeitete als Sprach- und Kommunikationstrainerin. Nach sechs Jahren habe ich dann zwar eine verbeamtete Stelle als Lehrerin angenommen, die Selbstständigkeit besteht jedoch bis heute. Nach weiteren vier Jahren wurde ich Schulleiterin. Seit 2013 arbeite ich in einem Staatlichen Schulamt und habe jetzt die Funktion der Schulamtsdirektorin inne. Mein zweites Standbein ist meine Tätigkeit als Autorin, Podcasterin und People Talk Host. Mein absoluter Traum wäre eine eigene Talkshow und die Übersetzung meiner Autobiografie ins Englische.”


SWANS: „Inwiefern gab es in den 20 Jahren, in dem du im Bildungswesen des Landes Baden-Württemberg arbeitest, Veränderungen? Waren sie positiv?”


Florence: „Die Schularten in Baden-Württemberg haben sich verändert. Die Hauptschule wurde zu einer Haupt- und Werkrealschule weiterentwickelt, viele Hauptschulen wurden geschlossen. Es erfolgte die Neueinführung der Gemeinschaftsschulen mit drei Niveaustufen. An den Realschulen kann nun auch der Hauptschulabschluss absolviert werden. Ebenso wurden neue Fächer eingeführt bzw. breiter aufgestellt. Veränderungen werden stets evaluiert und weiterentwickelt.”


SWANS: „Hast du dich in deinem Leben eher unterschätzt gefühlt oder wurdest du wertgeschätzt?”


Florence: „In meinen unterschiedlichen beruflichen Stationen musste ich mir den Respekt stets erstmal sehr erkämpfen. Das betraf Männer wie Frauen, Kolleg:innen wie Vorgesetzte. Die Wertschätzung erfolgte meist erst nach einer klaren Grenzziehung und Auseinandersetzung. Nur bei ein paar wenigen Menschen, auch hier ebenso Männer wie Frauen, Kolleg:innen wie Vorgesetzte, war das nicht notwendig. Das sind Menschen mit einer hohen Sozialkompetenz.”


SWANS: „Auf welche Hürden, die du gemeistert hast, bist du besonders stolz?”


Florence: „In meiner Jugend in Deutschland hat man mir nichts zugetraut. Auch lebte ich mit meiner weißen Mama in finanziell sehr bescheidenen Verhältnissen. Als Schwarze Frau und alleinerziehenden Mutter bin ich wahnsinnig stolz darauf, dass ich meinem Sohn und mir ein finanziell und emotional gutes Leben bieten konnte. Ich bin sehr stolz auf meine beruflichen Erfolge. Dass ich einmal Autorin von zwei Spiegel Bestsellern sein werde, hätte ich nie gedacht. Ich liebe es, unterschätzt zu werden und die Menschen Lügen zu strafen.”


SWANS: „Welche Maßnahmen sind deiner Meinung nach am besten dafür geeignet, um den deutschen Bildungsweg hürdenärmer zu gestalten?”


Florence: „Ich selbst bin nach meinem dreieinhalbjährigem Aufenthalt in Nigeria mit einem denkbar schlechtem Bildungsniveau im Alter von zwölf Jahren zurück nach Deutschland gekommen. Hätte es in Niedersachsen die Orientierungsstufe mit den A, B und C Kursen in den Hauptfächern nicht gegeben, hätte ich die Schule nicht so erfolgreich geschafft, wie ich es habe. Wünschen würde ich mir ein durchgängiges Gantagsschulsystem von Klasse 1 – 12, bzw. 13. Alle Schüler:innen absolvieren nach der Klassenstufe 9 eine Prüfung, um ihren Leistungsstand zu evaluieren. Je nach Leistungsniveau und -vermögen verlassen die Schüler:innen die Schule oder streben, ebenfalls nach einer Prüfung, den mittleren Bildungsabschluss oder das Abitur an. Bildung gehört außerdem in die Schule und nicht an den Abendbrottisch der Familien. Ich würde mir wünschen, dass die Schüler:innen mit „gemachten Hausaufgaben“ nach Hause kämen und die Familien frei von schulischem Druck und somit entlastet wären.”


SWANS: „Und welche sind weniger effektiv?”


Florence: „Alles, was Druck erzeugt, ist nicht effektiv. Ebenso darf der Bildungserfolg nicht von dem sozialen Status der Familien abhängig sein.” SWANS: „Wie stehst du zu Quoten als Maßnahme, um gerechte Teilhabe zu fördern?”


Florence: „Ich selbst wollte keine Quote sein, obwohl man mir bei Übernahme meiner Schulleitungstätigkeit gesagt hat, dass ich eine Quote wäre. Mir ist jedoch bewusst, dass es in manchen Bereichen ohne eine von außen diktierte Quote nicht geht und sich ohne diese nichts ändern würde. Das ist schade.”


SWANS: „Neben deiner Tätigkeit als Schulamtsdirektorin bist du u.a. mehrfache SPIEGEL-Bestsellerautorin, Podcasterin und Trainerin zu Antidiskriminierung. Was machst du, um auch mal zu verschnaufen und Energie zu tanken?”


Florence: „Ich stehe jeden Morgen für zehn Minuten auf meinem Minitrampolin, genieße mein Zuhause mit einer traumhaften Dachterrasse und höre die Stille.”


SWANS: „Was für einen Ratschlag oder Tipp würdest du unseren Schwänen mitgeben?”


Florence: „Gebe niemals auf. Suche dir ehrliche Verbündete. Schaue nicht auf Position, Rang oder Status, sondern auf den Menschen, der vor dir steht. Achte darauf, wer dir Tipps gibt. Nicht jeder dieser Tipps ist wohlgemeint, sondern manchmal nur gemein. Sei ein Mensch, der gönnen kann und glaube an Karma.”


SWANS: „Vielen Dank für das Gespräch!”


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