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Malika Mataeva: „In der IT zählt, was du im Kopf hast - nicht auf dem Kopf.”

Aktualisiert: 3. Aug. 2023





Als einzige Frau verantwortet Malika zusammen mit fünf Männern die Sicherheit der österreichischen Wirtschaft. Als erste Frau in diesem Team gehört sie zum einen Prozent der Frauen im Sicherheitsbereich in Österreich. Sie nutzt diese Position, um als Rollenvorbild Mädchen und Frauen für die IT und den Technologiebereich zu motivieren. Vor ihrem Job im Cyber Operation Center bei WKO Inhouse GmbH der Wirtschaftskammer Österreich war sie Entwicklerin bei Bosch. Das Gespräch führte Martha Dudzinski.


SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?”


Malika: „Obwohl ich ein Kriegskind bin, habe ich viele schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Ich wuchs in einem Haus umgeben von der Liebe und Fürsorge der Eltern, mit drei Geschwistern und einer eigenen Bibliothek auf, in dem viel Wert auf Bildung gelegt wurde. In der Nachkriegszeit hatten wir jahrelang keinen Strom und deshalb auch kein Fernsehen - dafür haben wir viel miteinander gesprochen, gelesen und mit vielen anderen Kindern draußen gespielt. Meine Eltern, vor allem die Mutter, haben uns immer motiviert, uns Ziele zu setzen und sie zu erreichen. Meine Mutter hat uns auch beigebracht, sehr früh aktiv zu sein (Schultheater, alle möglichen ehrenamtlichen Aktivitäten), was uns geholfen hat, soziale Fähigkeiten zu entwickeln und keine Angst zu haben, unsere Komfortzone zu verlassen. Der Krieg hat sicherlich auch seine Spuren hinterlassen: Ich bin sehr früh erwachsen geworden - wie viele Kinder meiner Generation in Tschetschenien.”


SWANS: „Wie verlief dein beruflicher Werdegang?”


Malika: „Ich habe Informatik an der Universität Wien studiert. Während meines Studiums habe ich als Praktikantin bei Bosch angefangen und eine sehr anspruchsvolle Aufgabe bekommen: Software für den internen Einsatz von Grund auf zu implementieren. Das war sehr schwierig, aber dafür habe ich viel dabei gelernt. Danach bin ich zu Coredat Business Solutions gewechselt, wo ich zwar als Softwareentwicklerin angefangen habe, aber auch erste Erfahrungen im Security-Bereich sammeln konnte: Ich habe die Vorbereitung auf die ISO27001-Zertifizierung (internationaler Security-Standard) koordiniert. Drei Jahre später entschied ich mich, komplett in den Sicherheitsbereich zu wechseln - was ich auch gemacht habe, und bin nun Mitglied des Cyber Security Operation Center Teams bei WKO Inhouse der Wirtschaftskammern Österreichs, wo wir für die Sicherheit aller unserer Kammern und der Außenwirtschaft zuständig sind.”


SWANS: „Wieso hast du dich für IT entschieden?”


Malika: „Ich war schon immer von Filmen über Hacker fasziniert! (lacht) Aber eigentlich war es Zufall: Ich habe den ECDL-Kurs (Europäischer Computer Führerschein) absolviert, und als ich mich bei einer Beratungsstelle nach Weiterbildungsmöglichkeiten erkundigte, empfahl mir die Beraterin Informatik, weil sie meinte, ich kenne mich bereits mit Computern aus und damit habe ich schon Vorkenntnisse. Der ECDL hat nichts mit Informatik zu tun, aber oft glauben die Menschen das Gegenteil. Das war auf jeden Fall der erste Anstoß in Richtung Informatik. Als ich angefangen habe zu studieren, wurde mir klar, dass es genau das ist, wonach ich immer gesucht habe: eine große Herausforderung, ein sehr spannendes Gebiet, sehr intelligente Menschen. Und eine weitere wichtige Erfahrung: In der Informatik zählt, was man im Kopf hat und nicht, was man auf dem Kopf hat.”


SWANS: „Hast du dich in deinem Leben eher unterschätzt gefühlt oder wurdest du wertgeschätzt?”


Malika: „Ich selbst unterschätze mich immer wieder. Das Imposter-Syndrom ist mir leider sehr vertraut. Ansonsten haben mich Menschen, deren Meinung mir wichtig war und ist, immer wertgeschätzt, unterstützt und ermutigt.”


SWANS: „Auf welche Hürden, die du überwunden hast, bist du besonders stolz?


Malika: „Ich war 18 Jahre alt, als ich mit meinem Mann nach Österreich geflüchtet bin. Die Schule habe ich in Tschetschenien abgeschlossen und das in schwierigen (Nach-)Kriegszeiten, wo es einen großen Mangel an Lehrern und auch an Schulgebäuden gab, weil sie zerstört waren. All dies bildet keine gute Grundlage für die weitere Ausbildung. Ich bin unseren damaligen Lehrern sehr dankbar, die trotz schwieriger Zeiten und fehlender Mittel, manchmal sogar unentgeltlich, unterrichteten und dabei ihr Bestes gaben.

In Österreich haben wir drei Jahre auf eine Aufenthaltsgenehmigung gewartet und in dieser Zeit haben wir selbst mit Büchern Deutsch gelernt. Danach kam Karenzzeit, deswegen konnte ich mit dem Studium erst mit 25 anfangen, wo mein Kleiner mit dem Kindergarten angefangen hat. Zu dieser Zeit hatte ich drei Kinder. Wegen der schwachen Schulbasis und der fremden Sprache musste ich sehr viel lernen, damit ich mitkomme.

Zum Beispiel Englisch fehlte mir fast komplett, weil ich nur in der Schule nur zwei Jahre Englisch gelernt hatte. Im IT-Bereich ist Englisch ist sehr wichtig, weil viele Quellen nicht übersetzt werden, zudem werden auch viele englische Begriffe verwendet. Mittlerweile verstehe ich bis zu 100%, besonders wenn es um IT-Thema geht, aber mir fehlt die sprachliche Praxis.

Als Geflüchtete habe ich mir mein Leben in Österreich von Grund auf aufgebaut: Ich habe die Sprache gelernt, studiert, gearbeitet und das alles neben meiner Familie/Kinder gemacht - darauf bin ich stolz.”


SWANS: „Was hältst du von Quoten als Maßnahme zur Förderung einer gerechten Teilhabe?”


Malika: „Ich denke, dass Quotenstellen etwas unangenehm sind, weil andere dir oft

weismachen wollen, dass du die Stelle unabhängig von deiner Kompetenz erhalten hast - was an sich nicht stimmen kann, besonders im IT-Bereich. Dennoch sind Quoten leider immer noch eine notwendige Maßnahme, um eine gerechte Beteiligung zu erreichen.”


SWANS: „Unterscheiden sich Kopftuchdebatten in Österreich von denen in Deutschland?”


Malika: „Die Diskussion um das Kopftuch wird in Österreich und Deutschland ähnlich geführt. Es wird oft von der „Unterdrückung" der muslimischen Frauen und ihrer „Befreiung" gesprochen, aber gleichzeitig werden muslimische Frauen durch diese Debatten und Gesetze eingeschränkt und diskriminiert.

Die Situation hat sich verbessert, denn seit etwa einem Jahr wird in den Medien und den sozialen Netzwerken viel über Vielfalt gesprochen, und plötzlich ist Vielfalt wichtig und modern geworden. Es gibt Unternehmen, für die Vielfalt, Teilhabe und Inklusion auch ohne diese Marketingmaßnahme wichtig waren, aber jetzt gibt es mehr von ihnen. Es ist ähnlich wie bei Quotenstellen - besser als nichts.

Ich hoffe, dass die Politik langsam das Stoffstück auf unseren Köpfen in Ruhe lässt und Frauen ohne Konsequenzen selbst entscheiden können, was und wie sie sich anziehen.”


SWANS: „Welchen Rat oder Tipp hast du für unsere Schwäne?”


Malika: „Glaube an dich selbst, sei mutig und lass dir von niemandem einreden, dass du etwas nicht schaffst!”


SWANS: „Danke für das Gespräch!”


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