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Niddal Salah-Eldin: „Ich möchte mich nicht verstellen oder verwässern.”


Niddal Salah-Eldin ist Mitglied des Vorstands bei Axel Springer SE. Ihr Fokus liegt auf globalen Talent und Kultur Themen sowie Zukunftsthemen wie ESG und Generative AI. Niddal studierte Publizistik und Politikwissenschaften in Mainz und in Washington, D.C. Sie absolvierte Stationen bei den Vereinten Nationen, beim ZDF, bei CNN sowie dem Spiegel, bevor sie 2014 zu Axel Springer kam. Dort arbeitete sie an Innovationsthemen, zuletzt als Director Digital Innovation in der WELT-Chefredaktion. Nach einem Wechsel zur dpa, wo sie als stellvertretende Chefredakteurin die Bereiche Produkt und Innovation verantwortete, kehrte sie 2021 als Managing Director der FreeTech – Axel Springer Academy of Journalism and Technology zu Springer zurück. Im Sommer 2022 wurde sie in den Vorstand berufen. Das Gespräch führte Martha Dudzinski.



SWANS: „Wie würdest du deine Kindheit beschreiben?“


Niddal: „Ich habe zwei Kindheiten, die eine, die in meiner Heimat Sudan begann und die zweite in Deutschland. Meine Kindheit war bewegt, anstrengend und behütet zugleich. Alles war neu für uns in diesem Land, wir mussten uns den Platz hier erkämpfen. Wir haben nichts geschenkt bekommen. Ich bin aufgewachsen in einem Viertel mit Kindern und Familien aus aller Welt. Das war eine schöne Zeit. Mit einigen bin ich noch heute befreundet. Wir sind alle gemeinsam in dieser neuen Welt angekommen. Wir hatten kein Geld und waren trotzdem reich – an Kultur, Erfahrungen, Stolz und Träumen für die Zukunft. Meine Wurzeln sind mir wichtig, sie prägen mein Sein. Eines Tages möchte ich mit meiner Familie zurückkehren in meine Heimat.“


SWANS: „Hast du dich in deinem Leben eher gefördert oder unterschätzt gefühlt?“


Niddal: „Beides. Ich wurde von einigen gefördert, von anderen unterschätzt. Gute Mischung, fünf von fünf Sternen. Es ist immer besser, unterschätzt zu werden als überschätzt.“


SWANS: „Auf welche gemeisterte(n) Hürde(n) bist du besonders stolz?“


Niddal: „Ich bin ohne Startvorteile ins Rennen gestartet, im Gegenteil. Ohne Booster, reiche Eltern oder geerbtes Netzwerk. Unser Leben in Deutschland begann in einem ziemlich heruntergekommenen Plattenbau. Ich bin Tochter von Schwarzen Muslimen aus dem Sudan. Für die gibt es nun wirklich keine Lobby. Dass meine Eltern studieren konnten, war unser großes Glück, denn andernfalls wäre unser Weg anders verlaufen.


Ich könnte jetzt schreiben, dass ich stolz darauf bin, entgegen der Empfehlung der Lehrerin das Gymnasium besucht zu haben, Einser-Abitur und Einser-Studium mit Stipendien gemacht zu haben, beruflich viel bewegt und erreicht zu haben, eine der jüngsten Vorständinnen des Landes zu sein. Aber ganz ehrlich: Das ist nicht das, woran ich denke. Besonders stolz bin ich darauf, dass ich meinen Verwandten helfen kann. Dass meine Eltern stolz auf mich sind, dass sich all ihre Mühen gelohnt haben. Und schließlich darauf, dass mein berufliches Werk nicht nur aus dem eigenen Fortkommen besteht.


Die schönsten Momente sind für mich, wenn mir Menschen sagen, dass ich sie inspiriere, dass sie sich gesehen und unterstützt fühlen. Dass sie meinetwegen mehr an sich glauben. Ich kriege jede Woche so viele Nachrichten in diese Richtung, das ist das Allerschönste. Das ist doch das, was bleibt.“


SWANS: „Du bist als junge Schwarze Frau oft alleine unter weißen Männern - wie oft am oberen Ende der Karriereleiter. Wie löst du für dich den Balanceakt zwischen anpassen und du selbst bleiben?“


Niddal: „‚You rent your title, you own your character‘, hat Thasunda Brown Duckett mal gesagt. So halte ich es auch. Mir ist es wichtig, mir und meinen Werten treu zu bleiben. Das gilt für alle Räume, die ich betrete. Und wenn das nicht geht oder erwünscht ist, dann sind es nicht die richtigen Räume. Ich trete für meine Positionen ein und möchte mich nicht verstellen. Damit gehe ich sehr offen um und habe das in meinem gesamten Berufsleben immer proaktiv thematisiert, wenn es um eine neue Position ging. Klarheit ist wichtig, damit es niemanden wundert, dass das auch tatsächlich so gemeint ist.“


SWANS: „Welchen Ratschlag würdest du unseren "Schwänen" (die Frauen, die wir fördern) mitgeben?“


Niddal: „Was ich früh gelernt habe: Klare Proofpoints zu haben für die eigene Leistung. Die kann man euch auch nicht wegnehmen oder kleinreden. Darauf habe ich immer geachtet. Das macht im besten Fall sichtbar und unabhängig – nach innen und außen. Für mich ist Unabhängigkeit ein wichtiges Gut, niemandem etwas zu schulden, frei zu sein in meinen Entscheidungen.


Außerdem: Versucht, euren Erfolg nicht ausschließlich in Titeln, Positionen oder Wichtigkeit zu bemessen. Das sind so oberflächliche und eindimensionale Kriterien für Erfolg. Wichtig sein allein wärmt nicht das Herz und macht kein gelungenes Leben aus. Fragt euch auch: Worauf kann ich einen positiven Einfluss nehmen, was kann ich beitragen, um eine Organisation zukunftsfähiger zu machen, wer will ich mal gewesen sein, was möchte ich mal hinterlassen, woran sollen sich Menschen erinnern, wenn sie an mich denken? Das ist ein echter Gamechanger.“


SWANS: „Vielen lieben Dank für das Gespräch!”


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